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Gegebenheiten aus dem täglichen Leben, gesammelt von Pekanek

Pekanek
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Des Glück is a Vogerl und des Göd liegt auf der Stroßn - bei freier Zeiteinteilung

Ich bin arbeitslos. Ja, ich bin es und ich schäme mich darob. Warum gerade ich?, komme ich gar nicht auf die Idee zu fragen, da es mir sicher recht geschieht und ich eben einer der unverbesserlichen Fälle bin.

Aber da kommt die Sonne wieder zwischen den Wolken hervor und grinst. Das Leben erwacht in mir. Da kommt zum richtigen Zeitpunkt auch noch die richtige Telefonverbindung zu Stande und ich erscheine mir selber wieder annehmbar. Was sagt da die Stimme am anderen Ende der Leitung? Man wüsste einen Job für mich, wo ich meinen Aktivitäten nachgehen kann und trotzdem bei freier Zeiteinteilung sehr viel Geld verdienen kann? Ha, das muss die Lösung sein. Das Geld liege ja nur so auf der Straße und man müsse sein Glück annehmen. Auf ein Treffen muss ich gehen? Wo? Wann?

Die Adresse eingesteckt, den Pekanek Pekanek sein lassen und auf gehts zu dem gewissen Hotel. Voller Erwartung merke ich mir sogar den ganzen Weg bis dorthin den Namen der Ansprechperson. Dort angekommen legt sich zuerst einmal mein Rad flach, als ich dieses an eine Verkehrstafel schnallen möchte, damit es nicht Ausreiß nimmt. Das Rad bockt, denke ich und verwerfe trotzdem diesen Gedanken sofort wieder. Stelle es in die richtige Position, putze mir schnell noch die Handflächen sauber und begebe mich stolzen Schrittes zur Eingangshalle. Rezeption, Bar und diverse angenehm scheinende Sitzgelegenheiten nehme ich nur vage wahr und steure zielstrebigst eine Gruppe von Menschen an, die alle voller Erwartungen stecken. Man sieht dies den Menschen schon von weitem an, man riecht es förmlich. Ich war richtig.

Die Ansprechperson, eine sehr galante Dame, wird mir vorgestellt und schon liegt ein Zettel vor mir, mit Eintragungsfelder. Name: "PEKANEK", schreibe ich; Ziele: ich lasse das Feld aus; besondere Fähigkeiten: schaler Blick durch die Runde - "Schriftsteller". Zu diesem Zeitpunkt kann ich die Verwunderung der neben mir weilenden anderen Dame spüren, die ihren Kopf etwas näher zu dem Blatt neigt, um erkennen zu können, ob da auch wirklich "Schriftsteller" steht, da es kurz bevor noch nicht dort stand. Und dann noch ein Feld: Anwesenheit - ich beginne zu überlegen und: "Soll ich da ein Hakerl machen, dass ich da bin?" Gekichere der Damen ist mir jedenfalls schon sicher, ich bin beruhigt und muss auch kein Hakerl machen.

Ich gehe skeptisch-euphorisch an die Bar und bestelle einen Kaffee. Die Zeit ist gegeben und beobachten ist in solchen Fällen kein Fehler. Da erscheint ein stattlicher Herr im feinen Zwirn - Sakko habe ich auch an -, grinst freundlich-sauer und fragt mich, ob ich zu der erwähnten Veranstaltung eingeladen bin. Ich: "Ja." Er: "Wir haben ein Problem!" Ich: "Ach so? Wie kann ich helfen?" Er: "Wir sind alle in Geschäftskleidung", und deutet im selben Moment mit einer konzilianten Handbewegung, als ob es sich um ein Modell seiner Kollektion handelte, auf einen Schnauzbart tragenden Schnittlauchzüchter in violettem Anzug mit Flatterhose (Satinimitat). Meine Antwort beschränkt sich nur auf den Hinweis, dass ich nicht besser angezogen wäre, wenn ich am Bundeskanzleramt um Förderungen ansuchen würde. Fehler. "Hahah, wir sind mehr als das Bundeskanzleramt und bitte, wir machen eine Ausnahme, setzen Sie sich halt in die letzte Reihe." Ehrfurcht macht sich breit in mir und das gerade jetzt im Afterbereich und tritt auch noch als Gas in die Umluft.

Der anschließende Vortrag war nett, man erfuhr wie schnell manche reich wurden durch ein neues Geschäftsfeld, das mit unerschlossen, brach liegend und wachsend charakterisiert wurde. Ob denn jemand von uns mehr Geld verdienen wolle, wurde gefragt, worauf alle außer mir die Hände hoben, die Automodelle der fleißigsten Mitarbeiter wurden mittels Videoeinspielungen gezeigt und alle außer mir waren beeindruckt. Ich war nur beeindruckt, als man uns erklärte, jeder neu erworbene Kunde sei eine Einheit und diese müsse mit "EH" abgekürzt werden und danach eine einfache Grafik auf das Clipboard gemalt wurde: "20 % der Bevölkerung nutzen die neuen Märkte", konnte man den Ausführungen in hauchender neurolinguistischer Programmiersprache folgen, "80 % sind unser Markt. Davon gibt es wieder 20 %, die in ihrem Leben gar nichts ändern wollen. Das sind die negativen Menschen." Diese Erklärungen waren wahrhaft beeindruckend. Rotzbremsen mit ABS, die sich verkrampft an ihre Aktenkoffer klammerten und mit ihren Satinanzügen im Neonlicht schimmerten, nickten moikisch-affektiv.

Welch Erkenntnis: Ich, denke ich, als jemand, der sich sehr wohl zutraut, ein nicht so klar abgestecktes Selbstbild zu haben, der dieses Wir-Gefühl in pink satin von irdischen Gütern höchst motiviert nicht aufbringen kann und noch dazu niemals einen seiner (fiktiven) Kunden mit EH abzukürzen denkt, gehört sicher auch zu den negativen Menschen. Und in dem Moment, als ich mein Rad wieder aus seiner misslichen Lage befreien will, einfach nur schnell weg möchte von dieser Veranstaltung mit all ihren Teilnehmern, erblicke ich eine tote Taube von einem breiten Reifen in die Zweidimensionalität gequetscht mit allen Innereien nach außen gekehrt auf der Straße liegen. - No, schau. Pekanek 2002

Ich nenne Arbeit das, was der Wirklichkeit die Illusion eines Ichs und seiner Bedeutung zu vermitteln vermag. - Helmut Eisendle